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Festen Boden unter die Füße bekommen...


Mein Kopf ist zurzeit schwer überlastet. Er versucht die aktuellen Geschehnisse intellektuell zu begreifen. Das habe ich von kleinauf gelernt. Besonders in der Schule habe ich all zu oft einen unausgewogenen Schwerpunkt auf intellektuelles Verstehen und Verarbeiten vermittelt bekommen. Obwohl ich versuchen möchte, Verallgemeinerungen zu vermeiden, bemerke ich hier jedoch vermehrt, dass dieses Phänomen in meinem Umfeld eine zunehmende Tendenz ist.

Heute, als Erwachsene, nehme ich wahr, wie mich diese Kopflastigkeit oft überfordert und erschöpft. Besonders in Zeiten wie diesen fällt es mir immer schwerer mich in der täglichen Flut an Nachrichten zurecht zu finden. Ich bemerke wie mich das unruhig macht, ich werde nervös und fühle mich verunsichert.


Auch meine Kinder haben solch kopflastige und intellektuelle Herangehensweisen schon gelernt und übernommen. Sie stellen Fragen, die ich ihnen nicht beantworten kann, sie versuchen, genauso wie ich von ihrem Standpunkt aus die Situation zu verstehen und einzuordnen. Das gelingt in dieser komplexen Situation, wie wir sie in Zeiten der Coronakrise erleben, manchmal weder mir noch ihnen zufriedenstellend. Es bleiben Zweifel und Verunsicherung. Wir fühlen uns unbefriedigt, weil wir das Bedürfnis nach Planungssicherheit und Klarheit mit unseren gewohnten Verarbeitungsmustern nicht vollständig befriedigen können.

Eine schöne Methode, auf die ich dann manchmal zurückgreife, um aus dieser kopflastigen Bewältigung der aktuellen Situation heraus zu kommen, ist die Gehmeditation. Besonders wenn ich für die eher bewegungslose Sitzmeditation zu unruhig bin, meine Gedanken und die Grübeleien nicht abreißen wollen, ist die Gehmeditation eine gute Alternative.Sie spricht vor allem auch meine Kinder an, denn sie können sich bewegen und wir können viele spielerische Elemente mit einbringen.


In der Gehmeditation bringe ich meine Aufmerksamkeit und meine Energie von meinem Kopf in meine Füße. Ich versuche nur den Prozess des einzelnen Schrittes und des Untergrundes, auf dem ich gehe, wahrzunehmen. Ich erde und verwurzele mich wieder über meine Füße, kann meinen Körper in seiner Ganzheit und Schwere besser im Raum spüren und in ihm Stabilität und Klarheit finden. Die Unsicherheit und Flüchtigkeit meiner Gedanken relativiert sich und ich spüre wieder mehr Sicherheit. Das Ungleichgewicht meiner Kopflastigkeit wird ausgeglichen und ich finde Ruhe, trotz der aufwühlenden Umstände. Ich bekomme im wahrsten Sinne des Wortes wieder festen Boden unter den Füßen.

Wenn du das für dich auch einmal versuchen willst, fühlt dich eingeladen, eine der beiden Methoden, die ich hier vorstellen möchte, zu probieren.

Wenn du etwas Zeit und Muße findest, kannst du eine Gehmeditation einmal ganz klassisch praktizieren.

Sucht dir hierfür einen Raum oder Platz, an dem du umhergehen kannst. Auch draußen macht es Spaß. Besonders schön ist es in Socken oder barfuß. Beginne im Stehen. Versuche, eine entspannte aufrechte Haltung zu finden, die dir angenehm ist und dir nicht zu viel Kraft abverlangt. Lasse bewusst deine Schultern nach hinten und unten sinken. Deine Arme kannst du entspannt an dir hinab hängen lassen oder die Handflächen vor dem Herzen aneinander legen. Jetzt nimm dir ein paar Augenblicke Zeit, dir deinen Atem bewusst zu machen. Du kannst hier gerne für einen kurzen Augenblick die Augen schließen und deinem Atem nachspüren. Atme in deinem Rhythmus und lasse den Atem ganz entspannt kommen und gehen. Fange dann an, langsam und ziellos umher zu gehen. Nimm dir keine bestimmte Strecke zu gehen vor, sondern lass dich einfach von einem Schritt zum nächsten treiben. Einatmend hebe einen Fuß vom Boden ab, bewege ihn in einem Schritt nach vorne und ausatmend setze ihn wieder ab. Erst wenn der Fuß vollständig wieder aufgesetzt ist hebe mit der nächsten Einatmung den anderen Fuß vom Boden, setze diesen nach vorne und mit der Ausatmung wieder ab. So machst du eine Weile weiter und versucht mit deiner Aufmerksamkeit immer auf dem Atem, deinen Füßen und dem Boden, auf dem du aufsetzt, zu bleiben. Du kannst versuchen, bewusst selbst die kleinsten Veränderungen des Bodens wahrzunehmen. Schweifen deine Gedanken ab, was sie mit Sicherheit tun werden, dann lenke sie ganz sanft und friedvoll wieder auf den Prozess des Gehens, deine Füße und den Untergrund zurück.

Anfangs ist es mir schwer gefallen, in der Langsamkeit und Ziellosigkeit zu gehen. Ich bin es gewohnt das Gehen als Mittel zum Zweck und nicht als Zweck an sich zu betrachten. Ich gehe meistens unbewusst und effizient von einem Ort zum anderen. Versuche einmal hier Geduld aufzubringen und nimm dir am Anfang erstmal nur ein paar kurze Minuten dafür vor. Erlaube dir auch dich eventuell ungewohnt zu fühlen und versuche darüber hinweg diesem Prozess eine Chance zu geben, indem du es einfach ein paar mal für kurze Zeit wiederholst.

Für Kinder lassen sich ganz spielerische Elemente einbauen, die es auch ihnen ermöglichen, mit der Aufmerksamkeit und der Wahrnehmung bei ihrem Körper zu bleiben. So können sie ganz spielerisch erste Meditationserfahrungen sammeln. Du kannst zum Beispiel phantasievolle Untergründe erfinden, die die Kinder sich dann vorstellen können. Was auch gut geht, besonders mit kleinen Kindern, sind Spiele, bei denen sie zum Beispiel ganz fest auftreten oder ganz sanft. Wichtig ist die Lenkung der Wahrnehmung auf die Füße und den Untergrund in der Verbindung mit dem Atem.


Wenn du das schlecht in deinen Alltag integrieren kannst, dann kannst du eine einfache aber ebenso effektive Alternative zur klassischen Gehmeditation wählen. Wie oft gehen wir im Alltag unbewusst von A nach B? Sicher unzählige Male. Nimm dir vielleicht eine dieser kurzen oder langen Strecken in deinem Alltag einmal bewusst vor. Lass dir nur einen kurzen Augenblick mehr Zeit, bevor du los gehst, verbinde dich kurz mit deinem Atem, entspanne bewusst deine Schultern. Nimm dir vor, auf dieser Strecke in normalem Tempo einmal ganz bewusst deine Schritte, den Gehprozess, den Untergrund wahrzunehmen. Lenke deinen Atem und dein Bewusstsein in die Füße. Ich mache das zum Beispiel gerne auf dem Weg von unserer Haustür über unseren Innenhof und die Treppe hinauf. Wenn ich keine Zeit für eine ausgiebige Meditation finde, kann ich mich auf dieser kurzen Strecke immer kurz erden. Ich finde Ruhe in meinem Körper und kann bewusst zu mir selbst kommen.

Oft kann ich dann zumindest eine Weile im Alltag bewusster, ruhiger und klarer bei mir sein und gehe viele Dinge dann etwas reflektierter und entspannter an.


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